Im Rennen
um Patientenaufmerksamkeit
| Antje Isbaner
Frau Jung, Herr Queckenstedt, warum sitzen wir heute in dieser Konstellation zusammen?
Nadja Alin Jung:
Gute Frage (lacht). Jede Zahnärztin und jeder Zahnarzt spürt es: Der Markt wird immer komplexer. Die Behandlerdichte steigt, Patienten haben viele Möglichkeiten, Kosten zu vergleichen und Dienstleistungen zu bewerten – sie werden anspruchsvoller. Umso wichtiger ist es, dass das ganze Praxiserlebnis einen positiven Eindruck hinterlässt – von der Suche, über den Erstkontakt, die Behandlung selbst bis zur Verabschiedung an der Türe. Damit dies gelingt, muss die Praxis ganzheitlich betrachtet werden.
Soll heißen: Praxispositionierung, Marketing und Neupatientengewinnung, Behandlungsangebot und Beratungsgespräche ebenso wie Teamführung – diese Bereiche sind untrennbar miteinander verknüpft und so sollte man sie in der Praxisstrategie im Sinne eines stringenten Gesamtkonzepts auch behandeln.
Holger Queckenstedt:
Die aktuellen Entwicklungen im Gesundheitswesen erfordern neben der fachlichen Qualifizierung einen immer stärkeren Fokus auf Management- und Kommunikationsthemen. Dabei ist es wichtig, den gesamten Kommunikationsprozess mit dem Patienten zu betrachten, weshalb das Kombinieren von Erfahrungswerten aus unterschiedlichen Disziplinen sinn- voll sein kann.
Ganzheitlich, stringentes Gesamtkonzept – das klingt teuer. Rechnet es sich tatsächlich, in Marketing zu investieren?
Nadja Alin Jung:
Marketing um des Marketings Willen ist sicher nicht die Lösung. Ich habe in der Praxis oft die Erfahrung gemacht, dass viele Marketingmaßnahmen auf wildem Aktionismus beruhen. Ein teurer Telefonbucheintrag wird mal eben veröffentlicht, ein paar Internet-Anzeigen geschaltet, und das alles in der Hoffnung, dass potenzielle Patienten darauf anspringen. Das Geld kann man in meinen Augen in den meisten Fällen entscheidend sinnvoller investieren – allerdings nur, wenn ich auch einen genauen Plan habe. Grundsätzlich gilt: Jede Praxis, egal ob groß oder klein, kann von Marketing profitieren. Aber so wie sich keine Praxis genau gleicht, sollte auch jedes Marketingkonzept individuell sein und nicht nach einem Schema oder irgendwelchen Pauschalen übergestülpt werden. Man sollte sich realistisch überlegen, welche Ziele man erreichen will, was man zur Zielerreichung benötigt und wie viel Budget man investieren kann und will.
Wie finde ich denn den richtigen Weg für meine Praxis?
Nadja Alin Jung:
Der erste Schritt muss sein: die eigene Positionierung festzulegen und damit die Definition der Zielgruppe, die man ansprechen möchte und die Kanäle, die sich hierfür am besten eignen.
Wie ist die Praxis, die ich anstrebe? Was ist das Bild, das ich vermitteln will? Dazu gehört auch die Definition, welche Leistungsschwerpunkte im Fokus stehen sollen. Daraus wird ein Gesamtkonzept entwickelt, das sich wie ein roter Faden durch alle Marketingaktivitäten zieht.
Wichtig ist: dieses Bild ganzheitlich in allen kommunikativen Prozessen der Praxis auch umzusetzen. Sonst nützt ein noch so ausgeklügeltes Marketingkonzept nichts. Stelle ich zum Beispiel Serviceorientierung in den Vordergrund, so kann es nicht sein, dass der Patient bei einem Anruf in meiner Praxis erst einmal minutenlang meine Telefonwarteschleife hört. Marketing, das mir etwas verspricht, was ich jedoch in der Praxisrealität nicht vorfinde, ist immer mit einer Enttäuschung des Patienten verbunden.
Ein weiterer entscheidender Punkt, um kein Geld zu verschwenden, ist, den Erfolg der verschiedenen Werbemaßnahmen zeitnah zu messen. Konkret heißt das: Wie viele Neupatienten sind pro Woche in meine Praxis gekommen? Wie sind diese Patienten auf meine Praxis aufmerksam geworden? Wenn sich dabei herausstellt, dass das bisherige Marketing nicht die gewünschte Wirkung erzielt hat, sollte man eine Optimierung vornehmen. Während meiner Arbeit erlebe ich sehr oft, dass Marketingmaßnahmen eben nicht auf ihren Erfolg hin kontrolliert werden und weiterhin in Werbung investiert wird, die ohne Resultat für die Praxis bleibt. Leider verlassen sich einfach immer noch zu viele Praxisinhaber gerade in diesem Bereich auf ihr Bauchgefühl.
Auch wenn sich die guten Marketingkonzepte voneinander unterscheiden – was sind beispielsweise Maßnahmen, die man immer ergreifen sollte? Und gibt es nicht doch so etwas wie eine Richtschnur, an der man sich orientieren kann?
Nadja Alin Jung: Konkrete Tools gibt es viele: vom Imagefilm über Newsletter bis hin zur Praxisveranstaltung stehen einem unzählige Möglichkeiten zur Auswahl. Es empfiehlt sich immer, verschiedene Marketinginstrumente miteinander zu kombinieren und einen individualisierten Marketingmix zu schaffen, der auf die eigene Praxis und den entsprechenden Standort zugeschnitten ist. Zudem sollte man darauf achten, dass dieser auch zu Budget und Zielgruppe passt und die Praxisphilosophie authentisch widerspiegelt. Was aus meiner Sicht heute jedoch nicht mehr wegzudenken ist, ist die Auffindbarkeit im Internet. Wie nah Praxisinhaber an ihrem Wunschbild in der Außensicht schon sind, kann man zum Beispiel durch einen kleinen Selbsttest herausfinden:
Einfach zentrale Stichwörter, mit denen die eigene Praxis in Verbindung gebracht werden soll, in eine Internetsuchmaschine eingeben, beispielsweise „Angstpatient Düsseldorf“ oder „Zahnimplantate Frankfurt“. Nun kann man schauen, auf welcher Suchplatzierung die eigene Webpräsenz dabei landet. Dieses Ergebnis gibt Aufschluss darüber, inwiefern die eigene Platzierung im World Wide Web noch ausbaufähig ist, um in Zukunft in den oberen Rängen zu erscheinen. Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie viel Bedeutung das Online-Marke- ting in den vergangenen Jahren gewonnen hat. Ein weiterer allgemeiner Tipp ist aus meiner Sicht: die eigene Internetpräsenz niemals stiefmütterlich behandeln. Hat ein potenzieller Neupatient Sie online gefunden, ist die Gunst um seine Aufmerksamkeit erst halb gewonnen. Der erste Eindruck entscheidet, ob jemand den Wunsch verspürt, die Praxis auch tatsächlich aufzusuchen. Fehlen wichtige Informationen, benötigt der Interessent zu lange, um Öffnungszeiten, Kontaktdaten etc. zu finden oder erscheinen gar die Fotos der Praxis unvorteilhaft oder unsympathisch, ist die Wahrscheinlichkeit eher gering, den Interessenten später live in der Praxis zu sehen.
Beim Stichwort Internet fallen mir auch die Bewertungsseiten ein, bei denen ich manchmal nicht weiß, ob das mehr Segen und Fluch ist …
Nadja Alin Jung: Das kommt ganz darauf an. Fest steht: Verhindern kann man Bewertungen in solchen Portalen ebenso wenig wie klassische Mund- propaganda. Man sollte Empfehlungs- portale auf jeden Fall als Chance sehen. Schauen Sie sich regelmäßig Patienten- statements an, um bei Negativbewer- tungen schnell reagieren zu können. Aber im Grunde gilt doch: Ist der Patient zufrieden nach seinem Besuch, hat er auch keinen Grund, sich zu beschweren. Das bringt mich zu einem wichtigen Punkt: Vertrauen. Hat man erst die Aufmerksamkeit des Patienten gewonnen, gilt es ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, um ihn langfristig an die eigene Praxis zu binden. Eine Patientenveranstaltung stellt beispielsweise eine gute Möglichkeit dar, den ersten Grundstein für ein vertrauensvolles Patienten-Behandler-Verhältnis zu legen. Denn eine „Praxis zum Anfassen“ vermittelt dem Patienten das Gefühl der Nähe und die Möglichkeit, auch mal einen Blick hinter die fachliche Behandlerfassade zu werfen.
Am Ende ist es das Zusammenspiel vieler kleiner Wow-Effekte, die die eigene Praxis von anderen abhebt. Warum sollte der Patient gerade in meine Praxis kommen? Ist es vielleicht der spezielle Abholservice oder ein iPad im Wartezimmer? Man sollte einfach überlegen, wie man seinen Bestandspatienten immer wieder überraschen kann. Ob Weihnachtskarte oder Treueaktion – damit der Patient zum Empfehler wird, bewirken kleine Gesten der Wertschätzung oft mehr als teure Werbemaßnahmen. Doch auch hier gilt die Devise, sich vorab ein Konzept zum Empfehlungsmarketing zu überlegen und dieses umzusetzen.
Herr Queckenstedt, wie wichtig ist das Team?
Holger Queckenstedt: Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Die Fähigkeit, empathische Patientengespräche zu führen, ist nicht nur Aufgabe der Führungskraft, sondern liegt in der Verantwortung aller Praxismitarbeiter. Denken Sie daran, dass der Patient den ersten Kontakt mit der Empfangskraft aufnimmt und wahrscheinlich auch die meisten Gespräche mit ihr führt. Nutzen Sie also die Chance, den Empfang als Aushängeschild der Praxis einzusetzen.
Gleiches gilt auch für die Prophylaxe. Hier muss ein identischer Service wie beim Behandler selbst geleistet werden. Denn der erlebte Service ist im Gegensatz zur fachlichen Kompetenz letztendlich das, was der Patient tatsächlich bewerten kann. Immer wieder hört man, dass schon kleine Gesten wie eine persönliche Begrüßung und die Frage nach dem Befinden positiv vom Patienten gewertet werden und die erlebte Wartezeit dadurch auch verkürzt empfunden wird. Fühlt sich der Patient schon beim Eintreten in die Praxis nicht wahrgenommen, überträgt sich dieses Unwohlsein auf den Gesamteindruck. Es liegt also in den Händen der Führungskraft, das gesamte Team entsprechend zu schulen, damit sich der Patient jederzeit gut aufgehoben fühlt.
Nun ist ein ganzheitliches Marketingkonzept entwickelt, mein Team darauf eingeschworen – welche Rolle spiele ich als Behandler? Muss ich auch Kommunikationsprofi werden?
Holger Queckenstedt: Vielleicht kein Profi – aber drücken sollten Sie sich auf keinen Fall. Das Schöne ist: Selbst wenn Sie kein geborener Kommunikationsprofi sind, Kommunikation kann trainiert werden. Um das so wichtige Vertrauen Ihrer Patienten zu gewinnen und gute Beratungsgespräche zu führen, brauchen Sie gewisse emotionale Fähigkeiten, insbesondere Empathie.
Sie müssen sich in die Gefühlslage des anderen hineinversetzen können und dadurch als Behandler Sympathie und Vertrauen beim Patienten erzeugen. Vertrauen gewinnt nicht derjenige, der viel spricht, sondern derjenige, der gut zuhört. Die Grundlage für richtiges Zuhören sind offene Fragen, die ein ebenso offenes Gespräch des Patienten herbeiführen, weil sich der Patient verstanden fühlt.
Genauso wichtig ist eine empathische Gesprächsführung bei der Präsentation des Lösungsvorschlages. Hier muss man als Behandler darauf achtgeben, nicht in unverständliches Fachchinesisch zu verfallen. So hilft es, das Gesprochene auch bildlich zu unterstützen, denn das, was der Patient an Information auch tatsächlich greifen kann, wird er als nachvollziehbar und subjektiv wahr empfinden.
Das klingt ja fast so, als müsse ein Zahnarzt heute auch ein guter Verkäufer sein?
Holger Queckenstedt:
Um es diplomatisch zu formulieren: Der Patient musswährend der gesamten Betreuung das Gefühl bekommen, die für ihn beste, individuell zugeschnittene Behandlungslösung zu erhalten. Dazu muss der gesamte Besuch von der telefonischen Terminvergabe bis hin zum Behandlungsabschluss die Rahmenbedingungen für eine gelungene Kommunikation schaffen. Der Patient muss am Ende des Tages der Ansicht sein, seine Bedürfnisse seien hinsichtlich der Zahngesundheit bei seinem Behandler am besten erfüllt worden. Insofern: Ja, ein Zahnarzt sollte seine Leistung auch gut verkaufen. Und daran finde ich nichts Verwerfliches.
Weitere Informationen:
www.medidentas.de
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