Praxisfinanzierung mit Lebensversicherung genau prüfen
| Holger Queckenstedt
Im Rahmen einer Existenzgründung wenden sich Zahnärzte an Bank oder Finanzdienstleister um sich zu Finanzierungsmöglichkeiten wie zum Beispiel einer Finanzierung mit einer Lebensversicherung beraten zu lassen. Sofern diese Finanzierungsform gewählt wird, kann die eigentlich gute Grundidee, bei falscher Ausführung, zu bösen Überraschungen, gerade am Ende der Kreditlaufzeit, führen. Im Folgenden soll anhand eines Fallbeispiels für besondere Vorsicht und genaues Abwägen bei einer Praxisfinanzierung mit Lebensversicherung plädiert werden.

Welche Erfahrungen haben Ihre Kunden mit Banken und Anlageberatern gemacht? Was hören Sie in Ihrer täglichen Arbeit?
ls Dr. Verena S. (Name geändert) sich vor sieben Jahren als Zahnärztin im Münsterland niederließ, musste sie einige Entscheidungen treffen. Für Fragen zu Standort, Behandlungskonzept und Depots hatte sie sich ausreichend Zeit genommen. Dabei entschied Verena S. vieles selbst. Bei wirtschaftlichem Überlegen und Finanzierungsfragen vertraute sie jedoch auf den Rat Dritter.
Vor einigen Wochen bekam Verena S. Post von ihrer Versicherung, die sie an ihre Existenzgründungsfinanzierung erinnerte. In dem aktuellen Nachtrag eines deutschen Lebensversicherers, der vorwiegend Ärzte und Zahnärzte zu seinen Kunden zählt, hieß es: Bei einer Wertentwicklung von drei Prozent beträgt der aktuelle Rückkaufswert 33.465,22 EUR.
Eingezahlt hatte Verena S. hingegen über 60.000 EUR. Obwohl eine angebliche Wertentwicklung von drei Prozent erreicht wurde, waren nicht einmal die eingezahlten Beiträge als Rückkaufswert vorhanden. Das Ziel, den Praxiskredit mit diesem Vertrag zu entschulden, war somit in weite Ferne gerückt.
Ein Einzelfall? „Leider nein“, wie Torsten Klapdor, Geschäftsführer bei medidentas, zu berichten weiß. „Wir gehen bundesweit von einem Volumen von mehreren 10.000 Verträgen alleine bei Zahnärzten aus, die die ursprünglich angegebene Hochrechnung, auch zum Ende der Verträge, nicht erreicht.“
Ihren netten Finanzberater hatte Verena S. bereits im Studium an der Universität in Münster kennengelernt. Erste hatte sie mit seiner Hilfe kleinere Verträge für Altersvorsorge und Berufsunfähigkeit abgeschlossen; in weiteren Gesprächen sei dann die Rückführung des Existenzgründerkredites mit einer Lebensversicherung ins Blickfeld gerückt.
Dies schien vielversprechend und auch der Bankmitarbeiter drängte damals auf das „sehr vorteilhafte“ Finanzierungskonzept. „Wenn Sie dann erst mal richtig Geld verdienen, können Sie erheblich Steuern sparen“, hatte er immer wieder betont. Zudem sei, so der Berater, eine Kreditbewilligung wahrscheinlicher und bestimmt schneller möglich, denn es gäbe so für die finanzierende Bank neben KZV-Abtretung und der Raumsicherungsübereignung eine weitere Sicherheit.
Verena S. prüfte gemeinsam mit ihrem Steuerberater die Angebote der Bank und folgte dem Rat der Experten. Auch weil es plötzlich schnell gehen musste, unterschrieb Dr. S. eine Cap-Finanzierung samt Lebensversicherung, ein sogenanntes „Praxiskonzept XXL“. In dieser Finanzierungsform ist die Zinshöhe variabel und mit einer Zinsobergrenze versehen. Als Rückführung des Darlehens dient eine Lebensversicherung. Für wen diese Konzeption „XXL“ wirklich bestimmt war, sollte sich erst später zeigen – zum Nachteil von Verena S.
Hintergrund und Grundidee
Grundsätzlich besteht jeder Kredit aus einer Kreditrückführung (Tilgung) und der „Kreditmiete“ (Zinsen). In der Regel sind im Rahmen der Existenzgründungsfinanzierung die zu zahlenden Zinsen absetzbar. Tilgungsleistungen sind hingegen in keinem Fall steuerlich relevant.
Die häufigste Form der Existenzgründungsfinanzierung für Zahnmediziner ist das sogenannte „endfällige Darlehen“. Hierbei werden Zins- und Tilgungszahlungen voneinander getrennt. Die Bank erhält eine regelmäßige Zinszahlung. Für die Rückzahlung wird oftmals eine kapitalbildende Lebens- oder Rentenversicherung abgeschlossen. Auch Fondssparpläne oder Bausparverträge werden eingesetzt.
Diese, nachstehend Tilgungsinstrument genannten Verträge, werden bei der finanzierenden Bank zur Kreditsicherung hinterlegt. Am Ende der Kreditlaufzeit (z. B. 12 oder 15 Jahre) wird die Auszahlungssumme aus dem Tilgungsinstrument zur Entschuldung genutzt. Öffentliche Kreditgeber wie die KFW haben in der Vergangenheit diese Finanzierungsvariante ebenso angeboten wie Spezialbanken, die sich auf das Klientel von Apothekern und (Zahn-)Ärzten konzentrieren.
Welche Gründe sprechen für diese Finanzierungsform?
Durch die Trennung von Zins und Tilgung kann gegebenenfalls über die gesamte Laufzeit des Darlehens die Steuerlast des Kreditnehmers gesenkt werden. Auch können bei richtiger Planung private Finanzierungen wie die Immobilienfinanzierung optimiert werden. So kann oftmals die bestehende private Immobilie mithilfe der Praxistilgung schneller entschuldet werden.
Da die Zinsen für die private Immobilie steuerlich nicht relevant sind, kann es sinnvoll sein, diese Kredite bevorzugt zu tilgen. Bankberater bewerben zudem häufig ein mögliches Zinsdifferenzgeschäft. Unter der Bedingung, dass die Lebensversicherung mehr Ertrag erwirtschaftet als der Kredit Zinsen kostet, macht der Kreditnehmer einen Gewinn.
Aus Sicht des Darlehensgebers entsteht zu der KZV-Abtretung und der Raumsicherungsübereignug eine weitere Sicherheit. Dabei ist eine Mindestbesparung des Tilgungsinstruments Bestandteil des Kreditvertrages. Zudem kann die Bank mit Tilgungsinstrument und Kredit Geld verdienen.
Das Hauptproblem: XXL sind nur die Kosten!
Landläufig besteht der Glaube, dass die Abschlussgebühren von Lebensversicherungen (z.B. für den Vertrieb) den größten Teil der Vertragskosten ausmachen. Wenn diese durch den Versicherungskunden erst bezahlt seien, könne weitestgehend kostenfrei Kapital für die Entschuldung der Praxis oder Altersvorsorge gebildet werden. Gerade kündigungswilligen Kunden wird dieses Argument gebetsmühlenartig durch die Vertriebsmitarbeiter vorgetragen.
Dabei betragen Abschlussprovisionen lediglich fünf bis zehn Prozent der Gesamtkosten eines Versicherungsvertrages. Die restlichen 90 bis 95 Prozent der Gesamtkosten fließen an die Versicherungsgesellschaften. So können alleine die laufenden Verwaltungskosten 13 Prozent der jährlichen Beiträge auffressen und den Versicherungsvertrag belasten.
Der Verbraucherschutz muss gestärkt werden
Der Fehler liegt im System. Bei manchen Banken und Versicherungsgesellschaften hat die Finanzmarktkrise tiefe Spuren hinterlassen. Retten kann da oft nur das Privatkundengeschäft.
Da heutzutage mit Sparbüchern und normalen Kontoführungen nicht wirklich Geld zu verdienen ist, besuchen Bankberater verstärkt Verkaufsschulungen, in denen, anhand von Training und simulierten Kundengesprächen, Verkaufsfrasen und Argumente einstudiert und auswendig gelernt werden. Wichtigster Schulungsinhalt ist der Umgang mit und die Abwehr von Einwänden der Kunden.
Experten schätzen den jährlichen Schaden, der durch versteckte Kosten und fehlende Transparenz für den Verbraucher entsteht, auf 50 Milliarden EUR und mehr. Denn berücksichtigt man alle Belastungen eines Vertrags können 40 Prozent und mehr auf die Einzahlungssumme an die Gesellschaften und Versicherungsvertreter fließen. Wohl keine andere Branche versteht es so kreativ, Kosten zu erfinden und anschließend zu verschleiern.
Aus gutem Grund sind Banken, Versicherer und deren Berater seit Juli 2008 gesetzlich verpflichtet, eine hohe Transparenz zu schaffen. Jedoch wird hier für mehr Verwirrung als Klarheit gesorgt.
„Die seit Juli 2008 aufgelisteten Kosten sind nicht mehr als unverbindliche Prognoserechnungen, an die sich die Konzerne nicht halten müssen“, so Torsten Klapdor von medidentas. Die wirklichen Kosten können daher erst am Ende der Verträge benannt werden, und nicht selten kommt es hier zu einem bösen Erwachen.
Der Verbraucherschutz in Deutschland steckt in der Praxis bislang jedoch noch in den Kinderschuhen. Anders sieht es in Europa aus. In England und den Niederlanden ist man weiter; dort sind seit Anfang des Jahres derartige Finanzierungskonstellationen aus gutem Grund verboten.
Was tun?
Banken, Versicherungen und auch die „unabhängigen Finanzdienstleister“ stellen oft eigene Ertragsziele in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen. Daher sollte man sich immer unabhängigen Rat suchen.
In Kenntnis der mageren Rückkaufswerte und Vertragsverläufe meiden manche Bank- und Versicherungsberater proaktive Gespräche und fürchten kritische Kundenfragen. Hier sollte man selbstbewusst und sicher auftreten und professionelle Hilfestellungen durch, zum Beispiel einen auf Zahnärzte spezialisierten, Honorarberater in Anspruch nehmen.
Gemeinsam mit einem staatlich geprüften Versicherungsaktuar sollte ein guter Honorarberater bestehende Verträge zunächst mit einem finanzmathematischen Gutachten bewerten und sogleich die zu- künftige Tilgungslücke errechnen. Dieses Gutachten zeigt auf, ob die Auszahlungssumme ausreichend sein wird oder ein potenzieller Kunde in der Kreditabteilung seiner Bank einen (weiteren) Kredit beantragen muss.
Zudem sollte auch der entsprechende Kredit- vertrag auf den Prüfstand gestellt werden.
Die hier aufgeführte Überprüfung sollte dringend auch bei den bestehenden Altersvorsorgeverträgen vorgenommen werden. Diese laufen in der Regel noch länger als die für die Praxisfinanzierung abgeschlossenen Verträge.
Für Neuverträge können Sie auf Produktlösungen ohne Abschlusskosten und Vertriebsprovisionen setzen. Honorarberater bieten diese für Kunden günstige Lösung an. Häufig kann über diese Lösung mit der halben Sparrate Gleiches erreicht werden.
Mit dem Stichwort „Kostenbewertung“ erhalten Interessierte unter der E-Mail: service@medidentas.de ein speziell entwickeltes Kostentransparenzformular für die Anfrage bei Bank oder Versicherer. Die dadurch erhaltene Antwort sollte dann die Grundlage für Kostenberechnung und Gutachten bilden.
Was tun?
Der Kreditberater von damals ist nicht mehr für die Bank tätig. Der neue Kollege hat für ein Gespräch zu diesem Thema gerade keine Zeit, schlägt allerdings einen Termin mit dem Wertpapierspezialisten vor. „Das Konto verzeichnet ein Guthaben und für die 25.000 EUR haben wir eine tolle Idee.“
Diese „tolle Idee“ wird Verena S. diesmal genau überdenken, denn finanzielle Entscheidungen muss und wird sie ab nun selber treffen, mit professioneller Hilfe und nach genauer Prüfung. Sparen muss sie in jedem Fall, da sich in der Praxisfinanzierung, ohne ihr direktes Verschulden, eine große Lücke eingestellt hat.
Weitere Informationen:
www.medidentas.de
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Ich habe meine Lebensversicherung angesichts lang anhaltender Niedrigzinsen bereits abgestoßen.